Die weite Reise des jungen Schiaparelli

exomarsSeit sieben Monaten bin ich nun schon unterwegs. Eine ganz schön lange Zeit. Klar, viele von Euch sind schon ein paar Monate um die Erde gereist, nichts Besonderes also. Aber ich schaffe viel mehr Kilometer als Ihr alle zusammen, 500 Millionen Kilometer. Denn ich fliege von Kasachstan zum Mars. Oder besser gesagt: Ich bin schon da.

Wow, ich bin schon da. Ich muss geschlafen haben. So nah war ich dem Roten Planeten noch nie. Meine Aussicht ist fantastisch: der Mars scheint eingerostet und leuchtet mir orangerot entgegen. Nur da hinten, am Nordpol, da ist es weiß. Und dort, da ist Valles Marineris, das größte Grabensystem im Sonnensystem, da kann der Grand Canyon einpacken. Und da hinten, das muss Olympus Mons sein, der höchste Berg im Sonnensystem. Mehr als 22 Kilometer soll er hoch sein. Ob ich da wohl hin komme? Ich wollte immer schon mal Bergsteigen.

Bis zu meiner Trekkingtour auf dem Olympus Mons ist aber noch einiges zu tun. Morgen ist es endlich soweit und ich stürze durch die dünne Atmosphäre nach unten, wo ich hoffentlich wie von meinen Erfindern geplant in der Ebene Meridiani Planum lande. Puh, ich bin ganz schön nervös. Wahrscheinlich sitzen meine Erfinder auch grad vor den Bildschirmen, kneten ihre Hände, wischen sich die Schweißtropfen von der Stirn, blicken hastig zwischen den vielen PCs in der Kommandozentrale hin und her. Hey Leute, entspannt euch mal, immerhin bin ich derjenige, der morgen mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit auf einen unbesiedelten Planeten kracht.

Angefangen hat meine Reise übrigens in Russland, in Baikonur. Und zwar vor genau sieben Monaten und vier Tagen. Am 14. März 2016 schoss man mich und mein treues Gefährt, der coole TGO (Trace Gas Orbiter), der mir in den letzten Wochen echt viel erzählt und mir so etwas von meiner Nervosität genommen hat – an dieser Stelle: Danke, TGO, du warst ein super Reisegefährte – auf einer flotten Proton-Rakete gen All.

Ausgedacht hatten sich das alles die Europäer und die Russen. ExoMars heißt das Theaterstück, in dem ich grad die Hauptrolle spiele, und das sich um nicht weniger als die Frage dreht: Gibt oder gab es Leben auf dem Mars? TGO hat mich auf dem Flug gefragt, was ich denn machen würde, wenn ich Leben entdecke, so wie er vielleicht Restspuren in der Atmosphäre entdeckt, die auf Leben schließen lassen können. Nun, habe ich geantwortet, das überlege ich mir, wenn ich da bin. Ich schließe wohl besser Freundschaft und sammele brav Daten. Wer wollte nicht schon immer mal mit einem Marsmännchen eine Trekkingtour unternehmen?

Scherz beiseite. Jetzt, wo es so weit ist, wird mir doch etwas mulmig zumute. Ausgerüstet mit Solarpanel und Kommunikationsantenne flogen TGO und ich ganze sieben Monate durch das Sonnensystem, quatschten über die gelungene Partnerschaft zwischen Roskosmos und der ESA, philosophierten über den Sinn des Lebens auf dem Mars und stritten darüber, wer in dieser Mission am wichtigsten ist. Das lag aber nur an der Kälte, die hat unsere Stimmung ein wenig beeinträchtigt. Denn es ist verdammt kalt. Obwohl Kälte und Wärme im vakuumleeren Raum ja auch relativ sind. Aber meiner Erfinder meinten mal, grob gesagt herrsche im Weltall eine Temperatur von minus 270 Grad. Ganz schön kalt! Deswegen haben TGO und ich unsere eisige Stimmung meist schnell wieder erwärmt und uns vertragen. Was will man auch anderes machen, wenn man sich irgendwo zwischen Erde und Mars befindet?

Aber zurück zur Mission. Vor zwei Tagen, am 16. Oktober, endete unsere gemeinsame Reise. Das war ein trauriger Moment. Wart Ihr schon mal sieben Monate mit ein und demselben Gefährten unterwegs? Man erlebt viel – der dramatische Abschuss von Baikonur, der erste faszinierende Blick zurück auf den blauen Planeten, die unglaubliche Kälte im interplanetaren Raum – TGO gab mir den Halt, den ich brauchte auf dem langen Weg zum Roten Planeten. Naja und vor zwei Tagen war diese traute Zweisamkeit vorbei. Denn ich musste weiter Richtung Mars, während TGO in 400 Kilometer Entfernung in einen Orbit eintrat, um die Atmosphäre nach Methan zu durchforsten, und mir so keine Geschichten über seine Heimatstädte Bremen und Cannes mehr erzählen konnte. Das Triebwerk von TGO ist daraufhin erstmal kurz in Flammen aufgegangen und hat dadurch seine Bahn leicht verändert. Er ist halt ein wenig trotzig.

Ich bekam davon nicht allzu viel mit, da ich in einen Tiefschlaf versetzt wurde. Das war auch ganz gut. Sonst wäre der Abschiedsschmerz zu groß geworden. Trotz meines Aluminiumherzens kann ich sehr sentimental werden. Und gegen Tränen und Trauer gibt es keinen großen Schutz. Den gibt es allerdings für meinen Eintritt in die Marsatmosphäre, die ja morgen bevorsteht. Ich habe ganz schön Speed drauf, 21.000 Kilometer pro Stunde, wenn ich in die Atmosphäre eintrete. Und ich soll auf 1650 Stundenkilometer abgebremst werden. Das wird eine Reibung geben, da wird jede Gurkenreibe vor Neid ganz unscharf. Aber ich habe ja meinen Hitzeschild, der wird mich hoffentlich vor den krassen Temperaturen schützen. Von Eiseskälte ins Höllenfeuer, wenn das mal kein Abenteuertrip ist.

Bis dahin genieße ich den Anblick auf meine zukünftige Heimat. Die Reise bis hierhin war lang und anstrengend und der morgige Tag wird entscheiden: Wird die Landung klappen? Werde ich sogar Leben auf dem Mars finden? Das ist ja eigentlich TGOs Aufgabe. Ich weiß es nicht. Aber ich werde davon berichten. Und so lange hier warten, bis in vier Jahren mein großer Bruder vorbeischaut.

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